Die Sagen und Legenden rund um die Schlacht am Morgarten

Bild von den Sagen und Legenden rund um die Schlacht am Morgarten

Im Zusammenhang mit der Morgartenschlacht gibt es verschiedene Sagen und Legenden, die historische Geschehnisse, Orte und Akteure aufnehmen und diese mit erfundenen Elementen verbinden. Die Sagen und Legenden thematisieren dabei aussergewöhnliche Ereignisse und Figuren sowie göttliches Eingreifen. Häufig kommt ihnen auch eine moralisierende, belehrende Funktion zu.

Die Ritter von Morgarten
Allen voran bildete das Schicksal der im Ägerisee ertrunkenen habsburgischen Ritter ein starkes Element in den klassischen Morgartensagen und der volkstümlichen Geschichtsüberlieferung. So gibt es in der Innerschweiz die Sage, wonach sich der Ägerisee am Jahrestag der Schlacht um Mitternacht blutrot färbe und ein Ritterheer aus seinen Fluten steige; Punkt 1 Uhr sei der Spuk wieder vorbei. Eine weitere Sage erzählt von zwei Rittern, die auf ihren Pferden über den See an die Landspitze Naas geschwommen seien und so der Schlacht entrinnen konnten. Als das Pferd des einen das Ufer erreichte, rief dieser: „Nun bin ich entronnen, sei es Gott lieb oder leid!“ Daraufhin sank das Pferd rückwärts und ertrank mit dem Ritter. Hier zeigt sich nicht nur der moralisierende Aspekt und das für Sagen typische Eingreifen höherer Mächte, sondern auch etwas für Morgarten sehr Spezifisches: Der See als Verbündeter der Schwyzer. Diese Sage steht allerdings nicht für sich allein, gibt es doch zur Schlacht auf dem Gubel von 1531 eine gleiche Geschichte.

Herabrollende Baumstämme und Felsblöcke
Die Erzählung von herabgerollten Baumstämmen und Felsblöcken findet sich als Motiv auf praktisch allen Bilddarstellungen der Schlacht am Morgarten. Sie dürfte auf einem Missverständnis beruhen. Tatsächlich benutzten die Eidgenossen im Spätmittelalter faustgrosse Steine, die zu Beginn eines Kampfes auf die gegnerischen Pferde geworfen wurden. Durch diesen Steinhagel scheuten die Pferde, wodurch die Ordnung der Ritter durcheinander geriet. In den späteren Chroniken wurden diese Steine zu Felsblöcken und Baumstämmen, der Steinhagel dadurch zu einer regelrechten Naturkatastrophe.

Letzimauern von Arth und Lücke bei Morgarten (Morgarten als bewusste Falle)
Der Bau der Letzimauern von Arth und Oberarth ist bis heute nicht genau datiert. Ob das Seeufer bei Arth, wie in der Chronik des Diebold Schilling von 1513 dargestellt, zusätzlich befestigt war, ist fraglich. Vermutlich wurde zuerst die Letzi bei Oberarth, danach die Letzi bei Arth gebaut – und zwar nach heutigen Erkenntnissen frühestens in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Sicherlich sind die beiden Letzinen nicht als zusammengehöriges, in die Tiefe gestaffeltes Verteidigungssystem zu betrachten. Die Letzi von Arth konnte die Routenwahl Herzog Leopolds folglich nicht beeinflussen und damit das habsburgische Heer auch nicht bewusst in die Falle am Morgarten locken.

Frauen und Kinder von Arth
In demselben Zusammenhang ist auch die Sage um die Frauen und Kinder von Arth zu sehen, die nach dem Auszug der Letzibesatzung nach Morgarten, mit Feuer und Lärm vorgetäuscht hätten, dass die Letzi noch besetzt sei.
Es ist eine von mehreren sogenannten Wandersagen zum Morgartenkrieg. In anderen Quellen finden sich gleichartige Beschreibungen. So sollen z.B. bereits 1298 Zürcherinnen die Stadt Zürich durch ein ähnliches Täuschungsmanöver vor einem habsburgischen Überfall gerettet haben.

Strategischer Umfassungsangriff Habsburgs
Lange hielt sich die Vorstellung eines habsburgischen Gesamtplanes, der im Sinne einer strategischen Umfassung zwei gleichzeitig vorgetragene Angriffe auf Schwyz und Obwalden beinhaltet habe. Demnach sei Herzog Leopold I. mit seinem Heer gegen Schwyz, Graf Otto von Strassberg gleichzeitig über den Brünig gegen Obwalden vorgegangen.
Otto von Strassberg war Reichslandvogt von Burgund und hatte von daher mit Schwaben (zu dem die Innerschweiz gehörte) nichts zu tun. Es ist aber belegt, dass es einen lokalen Konflikt zwischen dem Kloster Interlaken und Obwaldnern gab. Otto von Strassberg, als Schutzherr zum Handeln verpflichtet, unternahm in diesem Zusammenhang möglicherweise einen Vorstoss über den Brünig. Dieser Vorstoss fand, falls überhaupt, erst 1318 statt, da der Strassberger in diesem Jahr an Verletzungen starb, die er sich in Kämpfen zugezogen hatte. Jedenfalls gibt es keinen Zusammenhang mit Morgarten, bezeichnen doch schon spätere Chronisten den Streifzug Strassbergers als autonome Aktion.
Die These des strategischen Zangenangriffs wurde vor allem von älteren Militärhistorikern und Militärs gerne vorgetragen, übersteigt aber die Möglichkeiten mittelalterlicher Kriegsführung und lässt sich auch quellenmässig nicht belegen.

Narrensage
Zu der wohl bekanntesten und ältesten Sage gehört die sogenannte Narrensage. Nachdem Herzog Leopold mit seinen Gefolgsleuten beraten hatte, wie er am besten nach Schwyz einbrechen konnte, fragte er seinen Narr, wie ihm der Plan gefiele. Dieser von den Chronisten Cueni (Kuoni) oder Jenny von Stocken genannte Narr habe daraufhin geantwortet: „übel! […] da hant si dir alle geraten, wa ir in das Land komind, aber keiner hat geraten, wa ihr harwider uskomind.“ (Konrad Justinger, anonyme Berner Chronik)
Die Sage ironisiert anekdotenhaft den habsburgischen Kriegsplan. Darüber hinaus handelt es sich ebenfalls um eine Wandersage. Eine fast identische Szene schildert Diebold Schilling zur Schlacht bei Sempach und auch in der Walliser Sage „Thomas in der Binen“ findet sich eine ähnliche Stelle.

Verratslegende (Warnung der Schwyzer)
Die unerwartete Niederlage am Morgarten gegen einen vermeintlich viel schwächeren Gegner brachte es mit sich, dass schon bald plausible Gründe für das militärische Versagen Leopolds gesucht wurden. Zunächst tauchte Graf Friedrich von Toggenburg in den Chroniken (Vitoduranus) als derjenige auf, der die Schwyzer über den habsburgischen Kriegsplan informiert habe. Er hatte sich im Marchenstreit zwischen Schwyz und Einsiedeln um einen Ausgleich bemüht und war den Schwyzern deshalb vermutlich wohlgesonnen. Auch Johannes von Viktring erwähnte ausdrücklich vier Edle von Toggenburg, die bei Morgarten gefallen seien – möglicherweise implizierte der Chronist hier ein gerechtes Gottesurteil als Folge des Verrats? Bei Konrad Justinger werden dann „die von Hünenberg“ als Warner der Schwyzer bezeichnet, die sogar mehrere Pfeilbotschaften geschickt hätten. Spätere Chronisten nennen nur noch einen einzigen Hünenberger, der in der Schweizerchronik Heinrich Brennwalds von 1513 den Namen Heinrich von Hünenberg erhält; in den Hirschauer Annalen wird er als Edelmann von Henneberg bezeichnet.
Die Legende von der Pfeilbotschaft ist mit Vorsicht zu betrachten. Ein Heinrich von Hünenberg lässt sich aus heutiger Sicht zur Zeit der Schlacht am Morgarten nicht nachweisen. Der Name Henneberg taucht auch in anderem Zusammenhang immer wieder auf, wenn es um Verräter geht. Unter anderem wird erwähnt, dass ein Graf von Henneberg bei der Schlacht von Sempach die Flucht ausgelöst habe.

Tat der Ächter und Einunger
Wie alle grossen Schlachten sollte auch die Morgartenschlacht seine Helden bekommen. Konrad Justinger erwähnte erstmals den Kampf einer Gruppe von 40 Ächtern und Einungern, bei Tschudi und Brennwald sind es dann 50 Männer. Die anfängliche Nebenaktion formten spätere Chronisten zur Hauptaktion der Schlacht um, in der wie in einer Naturkatastrophe Felsen und Baumstämme auf die habsburgische Hauptmacht niederprasselten. Aus den ursprünglichen Verbannten und Rechtsbrüchigen (bei Tschudi auch „Banditen“ genannt), über deren Vergehen nichts bekannt ist, wurde später eine „auserlesene Schar von Kriegern“, die der bedrohten Schwyzer Heimat zu Hilfe eilten und an exponierter Stelle (Figlenfluh) massgeblich zum Schwyzer Sieg beitrugen. Diese Episode wird noch dadurch aufgewertet, dass sie nach einigen Chronisten ohne Kenntnis bzw. gegen den Willen der Schwyzer stattgefunden habe. Die Heldentat wird folglich zu einem patriotischen und moralischen Beispiel für Mut, Treue und Gemeinschaftssinn, während die Ächter und Einunger wegen des fehlenden exemplarischen Helden zu „Kollektivhelden“ von Morgarten werden.

Literaturtipps

Literaturtipps

Greco, Maria / Andermatt, Brigitt: Zuger Sage. Sage, Legände und Gschichte us em Kanton Zug, Steinhausen 2009
Weiss, Martin / Willi, Rolf: Die Munggenstalder und der Klostersturm (Comic), Zürich 2015.
Weiss, Martin / Willi, Rolf: Die Munggenstalder am Morgarten (Comic), Zürich 2015.
Weiss, Martin / Willi, Rolf: Die Munggenstalder in der Teufelsschlucht, Zürich 2016.

Etwas älter, aber auch in neueren Auflagen herausgegeben:
Inglin, Meinrad: Die Schlacht am Morgarten, , Einsiedeln 1965. (Separatdruck anlässlich der 650. Jahrzeit der Schlacht am Morgarten 1315, entnommen aus Inglins Werk „Jugend eines Volkes“ von 1933)
Lienert, Meinrad: Schweizer Sagen und Heldengeschichten. Der Jugend erzählt, 1914.

Etwas älter, aber zum Teil noch antiquarisch erhältlich (z.B. über www.zvab.com):
Bächinger, Konrad / Welti, Josef: Bluttaufe am Morgarten ; Mordnacht von Luzern ; Arnold Winkelried ; Schlacht bei Näfels, St. Gallen 1968.
Eberhard, Ernst / Vetsch, Ernst: Hütet euch am Morgarten!, SJW-Heft Nr. 276, Zürich 1947.