25 Jahre nach der ersten Centenarfeier mit eidgenössischem Charakter beging man 1940 wiederum eine spezielle Gedenkfeier. Seit 1939 befand sich Europa im Kriegszustand. Polen war von Stalins und Hitlers Truppen überrannt und aufgeteilt worden. Heere Frankreichs und Englands waren von der Wehrmacht im Westfeldzug (10. Mai bis 25. Juni) besiegt worden. Auch die Schweiz sah sich stärker denn je von den Achsenmächten bedroht. Die geistige Landesverteidigung griff auf die Heldenfiguren der alten Eidgenossenschaft zurück um mit der Erinnerung an die allseits bekannten Heldengeschichten der Bevölkerung Mut zu machen. General Guisan schrieb in seinem Tagesbefehl vom 1. August 1940:
Die Gedenkfeier 1940
Unter dem Eindruck der Berichte, die Augenzeugen über die Schlachten im Ausland bringen, fragen sich viele: „Wozu Widerstand leisten?“, und ziehen den Schluss: „Was wir auch tun, wir sind nicht in der Lage, uns zu verteidigen.“ So zu denken ist keines Schweizers und keines Soldaten würdig. Wer so denkt, weicht zurück vor der Pflicht. Er verkennt unseres Landes natürliche Stärke und die unvergleichlichen Möglichkeiten des Widerstandes, den der bewaldete, vielgestaltige Boden, reich an Hindernissen und Deckungen, und unsere Berge uns bieten. Das Vorgehen bei der Schlacht am Morgarten gebe ich euch als ein ewiges Vorbild, Euch Soldaten und auch Euren Führern. Als die freien Männer der drei Länder am Gotthard die Eidgenossenschaft gründeten, schworen sie, sich Hilfe zu leisten „gegen alle und jeden, die ihnen Gewalt oder Unrecht an Leib und Gut antun“. Am ersten Tag der Mobilisation habt auch Ihr geschworen, Eure Fahne und Euren Staat bis zum Tod zu verteidigen. Schweizer Soldaten, Ihr seid von diesem Schwur nicht entbunden. Am heutigen Nationaltag sei er erneuert und daure, so Gott will, ewig. (Quelle: Kurz, Hans Rudolf: Dokumente des Aktivdienstes, Frauenfeld 1965.)
Morgarten war also längst kein beliebiges historisches Ereignis oder eine Erzählung von Habsburgern, Eidgenossen, Rittern, Hellebarden, Baumstämmen und Steinen. Morgarten stand als Symbol für Qualitäten und Eigenschaften der Schweiz. Die von Guisan oben angetönten Werte (Mut, Hilfsbereitschaft, gemeinsamer Widerstand gegen Unrecht und Gewalt, Durchhaltewillen und Opferbereitschaft) wurden auch in der Filmproduktion „Landammann Stauffacher“ (Ende Dezember 1941 uraufgeführt) aufgegriffen und erzählerisch wiederum direkt mit der Schlacht am Morgarten in Verbindung gebracht.
Literaturhinweise:
Michel, Annina: Die Schlacht am Morgarten. Geschichte und Mythos, SJW-Heft 2469, Zürich 2014.
Sutter, Beatrice: Gedenken, Schiessen, feiern — lernen? Morgarten in der Erinnerungskultur, in: Der Geschichtsfreund, Jg. 168 (2015), S. 189-210